Meta-Informationen
Gericht: Bezirksgericht Zürich
Urteilsdatum: 08.06.2022
Kanton: ZH
Verfahrensart: ordentlich
Geschlecht: männlich
Nationalität: Ausländer/Ausländerin
Nebenverurteilungsscore: 0
Vorbestraft: Nein
Einschlägig vorbestraft: Nein
Rolle: Verkauf Konsumeinheiten
Deliktsertrag:
Deliktsdauer (Monate): 20

Betäubungsmittel:
  • Kokain, 226g, rein

Mengenmässig (Art. 19 Abs. 2 lit. a): Ja
Bandenmässig (lit. b): Nein
Gewerbsmässig (lit. c): Nein
Anstaltentreffen: Nein
Mehrfach: Nein
Beschaffungskriminalität: Nein
Sanktion

Hauptsanktion: Freiheitsstrafe

Dauer: 24 Monate

Vollzug: bedingt

Zusammenfassung

Der Beschuldigte A. wurde vom Bezirksgericht Zürich des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. c und d BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG schuldig gesprochen. Ihm wird vorgeworfen, über einen Zeitraum von rund 78 Wochen (Oktober 2017 bis April 2019) eine Gesamtmenge von mindestens 390 Gramm Kokaingemisch bzw. 226.2 Gramm reines Kokain vermittelt oder verkauft zu haben. Dies übersteigt den Grenzwert für die Annahme eines schweren Falles um ein Mehrfaches. Die Vorinstanz verhängte dafür eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten, deren Vollzug bedingt aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt wurde. Des Weiteren wurde eine Landesverweisung von 5 Jahren angeordnet. Die Rechtsmittelinstanz (Obergericht) hatte primär über die von A. angefochtene Landesverweisung zu befinden, da die anderen Punkte des vorinstanzlichen Urteils in Rechtskraft erwachsen waren. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils. Massgebende Erwägungen zur Landesverweisung (Obergericht): Das Obergericht bestätigte die von der Vorinstanz angeordnete obligatorische Landesverweisung. Es prüfte, ob ein "schwerer persönlicher Härtefall" im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt, der eine Abweichung von der Landesverweisung rechtfertigen würde. Aufenthaltsdauer: A. ist portugiesischer Staatsangehöriger und seit knapp 18 Jahren definitiv in der Schweiz wohnhaft (seit 2005), nachdem er zuvor saisonal hier gearbeitet und zwischenzeitlich in Portugal gelebt hatte. Obwohl er einen Grossteil seines Erwachsenenlebens in der Schweiz verbracht hat, ist er hier weder geboren noch aufgewachsen. Die lange Aufenthaltsdauer allein führt laut Bundesgericht nicht automatisch zu einem Härtefall. Soziale Integration: Das Obergericht verneinte eine über die normale Integration hinausgehende private Beziehung gesellschaftlicher Natur. A. verfügt nur über einen kleinen Bekanntenkreis in der Schweiz, der sich teilweise auf die portugiesische Gemeinschaft beschränkt. Seine Deutschkenntnisse sind nach 18 Jahren Aufenthalt höchstens mittelmässig, was gegen eine überdurchschnittliche Integration spricht. Zudem pflegt er nach wie vor enge Kontakte zu seiner Familie in Portugal. Berufliche und wirtschaftliche Integration: A. ist beruflich gut integriert und geht seit 2005 einer geregelten Erwerbstätigkeit im Strassen- und Tiefbau nach. Trotz zeitweiser Arbeitsunfähigkeit durch Unfälle konnte er seine Tätigkeit wieder aufnehmen. Seine aktuellen Schulden von CHF 25'000.– stehen seiner wirtschaftlichen Integration jedoch negativ entgegen. Eine Erwerbstätigkeit in Portugal wird ihm als realistisch eingeschätzt, selbst wenn die Wirtschaftslage dort schwieriger ist. Gesundheitliche Situation: Trotz mehrerer Arbeitsunfälle wird seine gesundheitliche Situation nicht als Hindernis für eine Landesverweisung betrachtet, da die medizinische Versorgung in Portugal als ausreichend angesehen wird. Familiäre Verhältnisse: A. ist verheiratet und hat zwei volljährige Söhne, die in der Schweiz leben. Die Söhne sind jedoch bereits in Ausbildung und beruflich etabliert, sodass kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen besteht, das unter den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fällt. Hinsichtlich seiner Ehefrau, die gesundheitliche Einschränkungen hat, wurde argumentiert, dass die Einschränkungen der Ehefrau A. selber nicht in einer härtefallbegründenden Weise träfen. Der familiäre Schutzbereich von Art. 8 EMRK sei lediglich durch die gelebte Ehe tangiert, wobei die Familie die Möglichkeit hätte, ihm nach Portugal zu folgen oder den Kontakt aufrechtzuerhalten. Eine generelle Unzumutbarkeit, dem Beschuldigten ins Ausland zu folgen, wurde verneint. Delinquenz, Legalprognose und Resozialisierung: Das Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz stellt eine Katalogtat dar und birgt eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. A. handelte aus finanziellen Gründen über einen längeren Zeitraum mit einer grossen Menge Kokain. Obwohl die Vorinstanz eine bedingte Strafe gewährte, ist die Legalprognose im Ausländerrecht strenger zu beurteilen. Seine weiterhin bestehenden Schulden und die finanzielle Belastung lassen eine erneute Delinquenz nicht vollständig ausschliessen. Seine Resozialisierungschancen in Portugal werden als gut bewertet, da er dort beruflich Fuss fassen könnte. Fazit des Obergerichts: Das Obergericht kam zum Schluss, dass die Wegweisung für A. zwar mit Unannehmlichkeiten und einer gewissen Härte verbunden ist, insbesondere in Bezug auf den Kontakt zu seiner Familie in der Schweiz. Dies stellt jedoch keinen "schweren persönlichen Härtefall" im Sinne des Gesetzes dar. Eine gefestigte soziale Integration in der Schweiz wurde verneint, und eine Rückkehr nach Portugal wurde nicht als unzumutbar erachtet. Da kein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt, war auch keine weitere Interessenabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen notwendig. Das Obergericht bestätigte die vorinstanzliche obligatorische Landesverweisung von fünf Jahren.

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