Meta-Informationen
Gericht: Regionalgericht Emmental-Oberaargau
Urteilsdatum: 28.04.2022
Kanton: BE
Verfahrensart: ordentlich
Geschlecht: männlich
Nationalität: Ausländer/Ausländerin
Nebenverurteilungsscore: 1
Vorbestraft: Nein
Einschlägig vorbestraft: Nein
Rolle: Gehilfenschaft
Deliktsertrag:
Deliktsdauer (Monate): 8

Betäubungsmittel:
  • Heroin, 650g, rein

Mengenmässig (Art. 19 Abs. 2 lit. a): Ja
Bandenmässig (lit. b): Ja
Gewerbsmässig (lit. c): Nein
Anstaltentreffen: Ja
Mehrfach: Nein
Beschaffungskriminalität: Nein
Sanktion

Hauptsanktion: Freiheitsstrafe

Dauer: 62 Monate

Vollzug: unbedingt

Zusammenfassung

Vorwurf: Dem Beschuldigten A. wurden von der Vorinstanz und im Berufungsverfahren vom Obergericht in erster Linie mehrfache, mengenmässig und bandenmässig qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen. Dies umfasste seine Rolle als Logisgeber für einen unbekannten Läufer, der in seiner Wohnung Heroin entgegennahm und weiterverkaufte (insgesamt 5'850g Heroingemisch bzw. 1'345.50g reines Heroin, als Gehilfenschaft gewertet). Weiter wurde ihm vorgeworfen, als Fahrer verschiedene "Läufer" (E., F., G.________) zu Auslieferungsfahrten chauffiert zu haben, bei denen grosse Mengen Heroingemisch (total 1'875g Heroingemisch bzw. 500.25g reines Heroin) verkauft wurden. In zwei Fällen blieb es beim Anstaltentreffen zum Befördern und Veräussern, da die Täter vor dem Abschluss der Transaktion von der Polizei angehalten wurden (48g Heroingemisch bzw. 9.12g reines Heroin und 410g Heroingemisch bzw. 110.7g reines Heroin). Die Gesamtmenge des gehandelten Heroins beläuft sich auf 1'965.57g reines Heroin. Zusätzlich wurde A. der unrechtmässige Bezug von Sozialhilfeleistungen im Umfang von CHF 6'350.00 vorgeworfen, da er seine Einnahmen aus dem Drogenhandel pflichtwidrig nicht meldete. Alle Taten wurden im Rahmen einer hierarchisch organisierten, kriminellen Bande begangen. Massgebende Erwägungen der Strafzumessung durch die Rechtsmittelinstanz (Obergericht): Die Strafkammer des Obergerichts bestätigte weitgehend die Schuldsprüche der Vorinstanz, nahm jedoch geringfügige Anpassungen bei der Bereinigung der Mengen und der rechtlichen Würdigung des Sozialhilfebetrugs vor. Strafart und Methodik: Aufgrund der hohen Strafandrohung für die qualifizierten Betäubungsmitteldelikte (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) und der finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten, die eine Vollziehung einer Geldstrafe unwahrscheinlich machen, wurde eine Freiheitsstrafe als angemessenste Sanktion für alle Delikte bestimmt. Die Einsatzstrafe wurde am schwersten Delikt, den qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, bemessen. Die verschiedenen Delikte wurden nach dem Asperationsprinzip (Art. 49 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst. Bestimmung der Einsatzstrafe (Betäubungsmittelgesetz): Objektive Tatschwere: Ausmass der Gefährdung des Rechtsguts: Die gehandelte Menge von 1'965.57 Gramm reinem Heroin übertrifft die Schwelle für einen schweren Fall (12g reines Heroin) um ein Vielfaches. Basierend auf der "Tabelle HANSJAKOB" wurde ein rechnerischer Ausgangspunkt von 65 Monaten Freiheitsstrafe ermittelt. Art und Weise der Tatbegehung und Verwerflichkeit: Die Deliktsdauer von ca. 4 Monaten und die sehr hohe Intensität des Drogenhandels wurden als verschuldenserhöhend gewertet (3 Monate Erhöhung). Bandenmässigkeit: Die Beteiligung an einer grossen, aus dem Ausland gesteuerten, professionellen kriminellen Organisation mit klaren Strukturen und Aufgabenverteilungen wirkte sich deutlich straferhöhend aus (10 Monate Erhöhung). Obwohl die Intensität bereits berücksichtigt wurde, wurde eine zusätzliche Erhöhung aufgrund der bandenmässigen Qualität vorgenommen. Rolle des Täters: A. war als Logisgeber und Fahrer im unteren Drittel der Hierarchie (4. Stufe des St. Galler Modells) anzusiedeln. Seine Rolle als Logisgeber wurde als Gehilfenschaft (Grenzfall zur Mittäterschaft) qualifiziert, was strafmindernd berücksichtigt wurde (12 Monate Abzug). Jedoch wurde seine hohe kriminelle Energie und starke Identifizierung mit der Organisation (z.B. Bemühungen um Aufstieg, Besorgnis um gute Aufgabenerfüllung) als straferhöhend gewichtet. Anstaltentreffen: Dass bei einem Teil der Taten (110.66g reines Heroin) nur Anstalten getroffen wurden, führte zu einem Abzug von 3 Monaten. Zwischenfazit Tatschwere: Nach diesen Anpassungen resultierte eine vorläufige hypothetische Freiheitsstrafe von 63 Monaten für die Betäubungsmitteldelikte. Subjektive Tatschwere: A. handelte mit direktem Vorsatz und aus rein pekuniären, egoistischen Motiven. Es gab keine Hinweise auf Suchtdruck oder äussere/innere Umstände, die sein rechtskonformes Verhalten unmöglich gemacht hätten. Er erhielt Sozialhilfe und Bildungsangebote, hätte sich also vom Drogenhandel distanzieren können. Die subjektiven Tatkomponenten wurden als neutral bewertet. Asperation (Unrechtmässiger Bezug von Sozialhilfeleistungen): Das Delikt des unrechtmässigen Bezugs von CHF 6'350.00 wurde als "noch leichte" objektive Tatschwere eingestuft, angemessen wären 60 Tage Freiheitsstrafe. Es handelte sich nicht um einen "leichten Fall" gemäss Art. 148a Abs. 2 StGB, da der Betrag nicht bagatellhaft war, A. nicht aus finanzieller Not handelte und sogar Sozialleistungen nutzte, um illegale Einkünfte zu generieren. A. handelte hierbei direktvorsätzlich. Die Vorinstanz hatte die Strafe um die Hälfte auf die Einsatzstrafe asperiert, da ein enger sachlicher Zusammenhang zum Drogenhandel gesehen wurde. Die Kammer erachtete dies als nicht nachvollziehbar, da unterschiedliche Rechtsgüter betroffen sind, und hielt eine Asperation von 2/3 für angemessen. Dies hätte rechnerisch zu einer Gesamtstrafe von 64 Monaten und 10 Tagen geführt. Verschlechterungsverbot: Aufgrund des Verschlechterungsverbots (Art. 391 Abs. 2 StPO) durfte das von der Vorinstanz festgesetzte Strafmass von 63 Monaten (5 Jahre und 3 Monate) nicht überschritten werden. Es bleibt daher bei diesem Strafmass. Täterkomponenten: Vorleben: A. ist nicht vorbestraft, was neutral bewertet wurde. Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren: A. zeigte sich bezüglich seiner Hauptbeteiligung am Drogenhandel nicht geständig und keine Reue oder Einsicht. Seine Kontaktaufnahme zur Organisation kurz nach seiner Anhaltung und das Anbieten weiterer Funktionen zeigten eine Gleichgültigkeit gegenüber der drohenden Sanktionierung und die Bereitschaft zur Fortsetzung der Delinquenz, was straferhöhend wirkte. Sein forderndes Verhalten gegenüber der Staatsanwaltschaft wurde als "dreist" bezeichnet. Sein Verhalten im Strafvollzug besserte sich jedoch zuletzt. Diese Täterkomponenten hätten sich insgesamt zulasten des Beschuldigten ausgewirkt, aber aufgrund des Verschlechterungsverbots und des bereits festgesetzten Strafmasses wurde auf eine weitere Bezifferung einer Erhöhung verzichtet. Gesamtfazit der Strafzumessung: Unter Berücksichtigung aller Komponenten wurde eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten als dem Tat- und Täterverschulden angemessen erachtet. Die in Untersuchungshaft verbrachte Zeit von 977 Tagen wird vollumfänglich angerechnet.

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