Hauptsanktion: Freiheitsstrafe
Dauer: 27 Monate
Vollzug: teilbedingt
Anklagevorwurf: Die Beschuldigte wurde wegen gewerbsmässigen Betruges und mehrfacher rechtswidriger Einreise schuldig gesprochen. Vom Vorwurf des mehrfachen rechtswidrigen Aufenthalts wurde sie freigesprochen. Die Anklage betraf zwei Betrugsfälle nach der "Schockanruf"- oder "Enkeltrickbetrug"-Masche, bei denen sie als "Abholerin" fungierte: Dossier 1: Versuchter Betrug mit einer angestrebten Deliktssumme von rund CHF 95'000. Die Beschuldigte gab sich als "Frau C." aus, um das Vertrauen der Geschädigten D. zu missbrauchen, die glaubte, ihre Tochter sei in Gefahr. Es gelang ihr vorläufig, CHF 50'000 zu erbeuten, die definitive Vermögensverschiebung konnte jedoch durch die Polizei verhindert werden, sodass kein wirtschaftlicher Schaden entstand. Dossier 2: Versuchter Betrug mit einem auf CHF 65'000 gerichteten Vorsatz. Hier blieb es ebenfalls beim Versuch. Zusätzlich wurde ihr die mehrfache rechtswidrige Einreise (zwei Mal) und der rechtswidrige Aufenthalt in der Schweiz vorgeworfen. Die Einreisen erfolgten ausschliesslich zur Begehung der Betrugsdelikte. Massgebende Erwägungen für die Strafzumessung (Obergericht): Das Obergericht hat das Urteil der Vorinstanz überprüft und ist zu folgenden abweichenden Erwägungen gekommen: Schuldspruch rechtswidriger Aufenthalt: Das Obergericht revidierte den Freispruch der Vorinstanz bezüglich des rechtswidrigen Aufenthalts. Es stellte fest, dass die Beschuldigte als polnische Staatsbürgerin sich zwar grundsätzlich drei Monate ohne Bewilligung in der Schweiz aufhalten dürfe, dies aber unter dem Vorbehalt von Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit stehe (Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA). Da die Beschuldigte einzig in die Schweiz reiste, um sich an gewerbsmässigem Betrug zu beteiligen, und kurz nach Verbüssung einer ähnlichen Strafe in Deutschland erneut straffällig wurde, liegt ein persönliches Verhalten vor, das eine gegenwärtige, schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Somit konnte sie sich nicht auf das Freizügigkeitsabkommen berufen. Da sie die Einreisevoraussetzungen (Art. 5 AIG) nicht erfüllte, waren ihre Aufenthalte rechtswidrig. Sie hat sich des rechtswidrigen Aufenthalts im Zeitraum vom 16. bis 19. Mai 2023 schuldig gemacht, eine mehrfache Begehung lag dabei nicht vor. Strafart: Das Obergericht verneinte die Anwendbarkeit einer Geldstrafe. Angesichts der fehlenden geregelten Arbeit der Beschuldigten, ihrer geringen Einnahmen, des Wohnsitzes im Ausland und der Betreuung eines Kleinkindes, wäre eine Geldstrafe voraussichtlich uneinbringlich. Zudem liess sich die Beschuldigte von einer bereits verbüssten unbedingten Freiheitsstrafe in Deutschland nicht beeindrucken, was die spezialpräventive Wirkung einer Geldstrafe zweifelhaft erscheinen lässt. Die enge zeitliche und sachliche Verknüpfung der Delikte (Betrug, Einreise, Aufenthalt) rechtfertigte die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe. Tatkomponente – Gewerbsmässiger Betrug: Objektive Tatschwere: Die angestrebten Deliktssummen waren hoch (CHF 95'000 und CHF 65'000). Die Vorgehensweise war zielgerichtet, professionell und skrupellos, indem die Verzweiflung der Geschädigten ausgenutzt wurde. Die Tatsache, dass kein wirtschaftlicher Schaden entstand, ist zwar zu berücksichtigen, jedoch wird der Versuch nicht strafmindernd gewertet, da er im vollendeten gewerbsmässigen Delikt aufgeht. Die Deliktsdauer war kurz und es handelte sich um zwei Einzeldelikte. Das Obergericht bewertete die objektive Tatschwere innerhalb des qualifizierten Tatbestands insgesamt als "gerade noch leicht". Subjektive Tatschwere: Die Beschuldigte handelte direktvorsätzlich und aus rein finanziellen Motiven, wenn auch in einer untergeordneten Funktion als "Abholerin". Ihr geringer Anteil am Deliktsgut (CHF 500 pro Betrug) relativiert die objektiven Zumessungsgründe leicht. Das Obergericht setzte die Einsatzstrafe für den gewerbsmässigen Betrug im unteren Drittel des ordentlichen Strafrahmens auf 24 Monate Freiheitsstrafe fest. Tatkomponente – Mehrfache rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt: Das Obergericht bewertete das Verschulden für diese Delikte als "nicht mehr leicht", da die Einreisen ausschliesslich zur Begehung der Betrugsdelikte erfolgten. Isoliert betrachtet hätte die Einzelstrafe hypothetisch 3 Monate Freiheitsstrafe betragen. Nach den Grundsätzen der Asperation wurde die Strafe für diese Delikte um 2 Monate erhöht, was eine verschuldensadäquate Gesamtstrafe von 26 Monaten Freiheitsstrafe ergab. Täterkomponente: Persönliche Verhältnisse: Die Beschuldigte ist polnische Staatsangehörige ohne Bezug zur Schweiz. Die Geburt ihres Kindes während der Haft wurde als nicht strafzumessungsrelevant erachtet, da sie diese Umstände durch die Tatausführung trotz Schwangerschaft in Kauf nahm. Vorstrafen: Die einschlägige Vorstrafe aus Deutschland (2,5 Jahre Jugendstrafe wegen banden- und gewerbsmässigen Betrugs, davon 22 Monate verbüsst) wirkte sich klar straferhöhend aus. Sie beging die vorliegenden Delikte nur 8 Monate nach ihrer Entlassung aus dem deutschen Vollzug. Diese massive und einschlägige Vorstrafe führte zu einer Straferhöhung von 6 Monaten. Nachtatverhalten: Ihr Geständnis betreffend Dossier 1 wurde als oberflächlich bewertet, da die Beweislage erdrückend war. Bezüglich Dossier 2 blieb sie ungeständig. Ihre Reue und Einsicht, die sie anlässlich der Berufungsverhandlung bekundete, wurden als spät und oberflächlich eingestuft. Dies führte lediglich zu einer minimalen Milderung im Umfang von 2 Monaten. Gesamtstrafe: Unter Berücksichtigung der Tat- und Täterkomponente setzte das Obergericht die angemessene Freiheitsstrafe auf 30 Monate fest (26 Monate Einsatzstrafe + 6 Monate Vorstrafe - 2 Monate Nachtatverhalten). Vollzug: Das Obergericht lehnte den teilbedingten Vollzug der Freiheitsstrafe ab und ordnete den unbedingten Vollzug an. Gemäss Art. 42 Abs. 2 StGB ist ein Aufschub bei Vorstrafen von über sechs Monaten nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen. Solche Umstände sah das Obergericht nicht. Die einschlägige Vorstrafe in Deutschland, die wiederholte Einreise als "Kriminaltouristin" und die Tatsache, dass sie trotz Schwangerschaft straffällig wurde, sprachen gegen eine positive Prognose. Die Geburt des Kindes im Gefängnis und ihre Aussage, weiterhin rauchen zu wollen, zeigten, dass die Mutterschaft sie nicht zu einer positiven Verhaltensänderung veranlasste. Auch die unklaren beruflichen Perspektiven und die geringe Wahrscheinlichkeit eines vollständigen Kontaktabbruchs zum kriminellen Milieu trugen zur negativen Prognose bei. Die bereits erstandene Haft in Deutschland und der Schweiz hatte offensichtlich keinen genügenden Eindruck hinterlassen.