Meta-Informationen
Gericht: Bezirksgericht Hinwil
Urteilsdatum: 06.09.2022
Verfahrensart: ordentlich
Geschlecht: männlich
Nationalität: unbekannt
Hauptdelikt: Betrug
Mehrfach: Nein
Gewerbsmässig/qualifiziert: Ja
Bandenmässig: Nein
Deliktssumme: 19000001
Nebenverurteilungsscore: 12
Vorbestraft: Ja
Einschlägig vorbestraft: Ja
Sanktion

Hauptsanktion: Freiheitsstrafe

Dauer: 80 Monate

Vollzug: unbedingt

Zusammenfassung

Anklagevorwurf: Der Beschuldigte A._____ wurde von der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich mit Anklageschrift vom 12. Juli 2021 angeklagt. Ihm wurden folgende Delikte vorgeworfen: Gewerbsmässiger Betrug (Art. 146 Abs. 1 und 2 StGB): Durch Aktienverkäufe der Gesellschaften EW., EX. und B._____ (die als "Betrugsvehikel" bezeichnet werden). Mehrfache unwahre Angaben über kaufmännische Gewerbe (Art. 152 StGB): Im Zusammenhang mit der EW._____ und der B._____. Mehrfache qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB): Zum Nachteil der B._____ AG und der EY._____ AG. Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung (Art. 164 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 29 StGB): Zum Nachteil der EY._____ AG. Mehrfache Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB): Im Zusammenhang mit falschen Buchungen bei der B._____ und EW._____. Tätigkeit als Effektenhändler ohne Bewilligung (Art. 44 Abs. 1 aFINMAG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 aBEHG). Tätigkeit als Investmentgesellschaft mit festem Kapital (SICAF) ohne Bewilligung (Art. 44 Abs. 1 aFINMAG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 KAG). Massgebende Erwägungen für die Strafzumessung (Obergericht): Das Obergericht bestätigt im Wesentlichen die Schuldsprüche des Bezirksgerichts, korrigiert jedoch einen Punkt bezüglich der Konkurrenzlehre und reduziert die Freiheitsstrafe entsprechend. Gewerbsmässiger Betrug (Einsatzstrafe): Das Obergericht bestätigt die Einschätzung des Bezirksgerichts, dass ein gewerbsmässiger Betrug vorliegt. Der Beschuldigte vermarktete systematisch wertlose Aktien von drei Gesellschaften (EW., EX. und B._____) als vielversprechende "Start-ups", obwohl diese keine nennenswerte Geschäftstätigkeit verfolgten. Er täuschte Anleger mittels "Factsheets", Werbepräsentationen, frei erfundenen Kursmeldungen, Schein-Unternehmensbewertungen, In-sich-Geschäften und dem Abfluss des investierten Kapitals zu seiner persönlichen Bereicherung und der anderer Beteiligter. Die Opfer wurden arglistig getäuscht, da die Täuschung über die "Lüge Null" (Existenz eines redlichen Unternehmens) für sie nicht durchschaubar war, selbst für versierte Investoren. Die Opfermitverantwortung entlastet den Beschuldigten nicht. Die Deliktssumme der unrechtmässig erlangten Vermögensvorteile beträgt insgesamt über CHF 19 Mio., wovon rund CHF 8.8 Mio. direkt an den Beschuldigten flossen. Das Obergericht stützt die von der Vorinstanz festgesetzte Einsatzstrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe für den gewerbsmässigen Betrug als gerade noch vertretbar, wenn auch eher milde, angesichts der massiven, über Jahre andauernden kriminellen Energie und der hohen Deliktssumme. Weitere Delikte: Mehrfache unwahre Angaben über kaufmännische Gewerbe: Bestätigt. Die Angaben waren öffentlich und geeignet, Dritte zu schädigenden Vermögensdispositionen zu veranlassen (Gefährdungsdelikt). Qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung zum Nachteil der EY._____ AG und Gläubigerschädigung: Bestätigt. Der Beschuldigte kaufte ein Goldnugget zu einem stark überhöhten Preis von einer ihm zuzuordnenden Gesellschaft, um die EY._____ zu schädigen und sich zu bereichern. Dies war zudem geeignet, Gläubiger zu schädigen. Mehrfache Urkundenfälschung: Bestätigt. Der Beschuldigte liess fiktive Provisionszahlungen als "Forschung und Entwicklung" und Aktiengewinne als "Verkaufsertrag aus Gold Nuggets" verbuchen, um eine nicht existierende bzw. überhöhte Geschäftstätigkeit vorzutäuschen. Seine Behauptung, ahnungsloser Laie zu sein, wird als grotesk abgetan, da er über Finanzkenntnisse und -erfahrung verfügt. Tätigkeit als Effektenhändler ohne Bewilligung: Bestätigt. Der Beschuldigte bot gewerbsmässig Effekten ohne die erforderliche Bewilligung an, obwohl er sich dessen bewusst war. Betrieb einer kollektiven Kapitalanlage (SICAF) ohne Bewilligung: Bestätigt. Der Beschuldigte betrieb die EV._____ als bewilligungspflichtige Anlage, ohne die notwendigen Überprüfungen nach Gesetzesrevisionen vorgenommen zu haben, was als schuldhaft, aber milderbar (vermeidbarer Verbotsirrtum) eingestuft wird. Anpassung durch das Obergericht: Freispruch von der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung zum Nachteil der B._____ AG: Das Obergericht revidiert den Schuldspruch der Vorinstanz in diesem Punkt. Es stellt fest, dass der Schaden aus diesen Überweisungen ein Reflexschaden des bereits verurteilten gewerbsmässigen Betruges ist und somit unechte Idealkonkurrenz vorliegt. Die Taten sind vom Betrugstatbestand konsumiert. Reduktion der Gesamtstrafe: Aufgrund des Freispruchs im vorgenannten Punkt, für den die Vorinstanz eine Asperation von 8 Monaten veranschlagt hatte, reduziert das Obergericht die von der Vorinstanz verhängte Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 8 Monaten (80 Monate) auf 6 Jahre (72 Monate). Strafzumessungsfaktoren (Gesamtwürdigung): Anwendbares Recht: Das im Tatzeitpunkt (2010-2015) geltende Sanktionenrecht kommt zur Anwendung. Eine spätere Revision des Sanktionenrechts ist für den Beschuldigten nicht milder. Verschlechterungsverbot: Die Strafe darf im Berufungsverfahren nicht höher ausfallen als die vorinstanzlich festgelegte Strafe. Strafrahmen: Trotz diverser Strafschärfungs- und -milderungsgründe bleibt es beim ordentlichen Strafrahmen des schwersten Delikts (gewerbsmässiger Betrug: 90 Tagessätze Geldstrafe bis 10 Jahre Freiheitsstrafe). Strafart: Für alle Delikte wird eine Freiheitsstrafe ausgesprochen, da eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit aufgrund der massiven Verschuldung, fehlender präventiver Effizienz und des engen Zusammenhangs der Delikte mit dem gewerbsmässigen Betrug als nicht vollstreckbar bzw. ungeeignet erscheint. Persönliche Verhältnisse: Der Beschuldigte ist 52 Jahre alt und massiv verschuldet (ca. CHF 1.4 Mio. Pfändungen und CHF 76'294.10 Verlustscheine). Seine Angaben zu seinen aktuellen finanziellen Verhältnissen (angeblich nur CHF 3'000 netto monatlich, Verkauf von Aktien an unbekannte Dritte, Verbleib von CHF 471'000 in bar unbekannt) werden als unglaubhaft und intransparent beurteilt. Es wird angenommen, dass er weiterhin über namhafte, nicht beschlagnahmte Vermögenswerte verfügt. Vorstrafen: Die drei früheren Verurteilungen (Gehilfenschaft zu Pfändungsbetrug, Fahren eines Schiffes im angetrunkenen Zustand, Steuerhinterziehung) haben keine straferhöhende Wirkung, da sie erst nach den hier beurteilten Delikten erfolgten. Eine Zusatzstrafe ist aufgrund der unterschiedlichen Strafarten nicht möglich. Nachtatverhalten: Gibt keinen Anlass zu einer Strafreduktion. Der Beschuldigte zeigt keine Einsicht und keine Bemühungen um Schadensdeckung. Verletzung des Beschleunigungsgebots: Wird verneint, da der Fall äusserst komplex war (Aktenumfang, internationale Bezüge, 140 Privatkläger, umfassende Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils). Strafempfindlichkeit: Die Anforderungen an eine erhöhte Strafempfindlichkeit sind nicht erfüllt. Alter, gesundheitliche Beschwerden oder familiäre Umstände werden als nicht aussergewöhnlich genug eingestuft. Die Behauptung, einen Freund verloren zu haben, wird als zynisch empfunden, da der Beschuldigte versuchte, diesem die Schuld zuzuschieben. Vollzug: Die Freiheitsstrafe von 6 Jahren wird als unbedingt angeordnet. Ein bedingter oder teilbedingter Vollzug kommt bei dieser Strafhöhe nicht in Frage.

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